Ein Bericht von Nicole Steeg über den Generationswandel, das Glück und die Macht des Unbewussten
„Die Nachfahren streben nach den falschen Geistern“ würden unsere Eltern und Großeltern sagen, wenn sie mal wieder in Worte fassen, was wir, die Generation Y und Z, also die nach 1980 geborenen, für wichtig in unserem Leben halten. Wir sind auf der Suche nach dem wahren Glück und der Selbstverwirklichung und nicht danach, in allen Bereichen abgesichert zu sein.
Das Arbeitstier Mensch
Natürlich kann man es den Generationen vor uns nicht verübeln, dass das Streben nach vollumfänglicher Sicherheit weit vorn angesiedelt war. Schließlich mussten sie noch miterleben, dass man eben nicht alles, was man will, jetzt sofort an Ort und Stelle haben kann. Damit Sie dieses starke Bedürfnis nach Sicherheit befriedigen konnten, wurde gearbeitet, gearbeitet und weitergearbeitet. Ja, und es wurde hart und körperlich gearbeitet. Mit dem schwer erarbeiteten Geld wurde sich dann ab und zu was gegönnt. Die „ #Gönnung “ bestand natürlich aus dem, was da war. Vielleicht heute ein Softeis und später ein gebrauchter VW Golf. Die Mark wurde zwei Mal umgedreht und jeder gekaufte Gegenstand wurde wertgeschätzt. Uns Kinder und Enkel soll es später einmal besser gehen, hieß es in vielen Familien. Es wird uns gesagt, dass es im Leben um Vereinigung von Familie, Leben und Arbeit geht. Das „Arbeitstier“ Mensch soll also weiterbestehen.
Wir sind anders
Der Großteil unserer Generation sieht das jedoch anders. Wir sind anders. Ja, uns geht es nun mal besser, wir haben Essen und Trinken in allen Variationen aus allen Ländern. Geld, um uns regelmäßig Sachen zu kaufen und uns morgen eine Drohne als Spielzeug zu bestellen. Das eigene Auto für Mann und Frau versteht sich – auch bei den Normalverdienern – von selbst. Warum also Beschweren? Es müsste uns prächtig gehen. Leider ist das jedoch oft nicht der Fall. Denn wir müssen erfahren, dass das „Gefühl alles haben zu können“, nicht zufrieden und glücklich macht. Dabei ist es doch das Glück, wonach wir suchen. Wobei wir selber nicht einmal wissen, was hinter diesem Wort Glück für uns steckt. Der Ruf kommt aus dem Inneren, den Teil, den wir nicht beschreiben können. Wir wollen keine Work-Work-Balance. Wir wollen eine Work-Life-Balance, weil wir Zeit für uns brauchen. Da soll es nicht um Vorgaben und Maßstäbe gehen, sondern um Selbstbestimmung und Individualität.
Um diese zu finden und zu leben, müssen wir ins Innere schauen: Was bestimmt unsere Emotionen am Tag? Wer und vor allem was beeinflusst unser Verhalten? Was macht uns müde und was gibt uns Kraft? Dabei wissen „die Jungen und die Alten“ dass es für das Wesen Mensch eine Komfortzone gibt, die heute überwiegend aus „Netflix and Chill“ besteht. Ebenso ist dem Menschen schon immer klar, dass er aus sich rauskommen muss, um Neues zu wagen. Wir wollen jedoch nicht nur Neues wagen, wir wollen zu uns finden. So zeigen die „Realtalks“[1] im Netz und unendliche vielen „Mindsetters“[2] uns, dass es im Leben nicht nur um Zielerreichung, sondern viel mehr um den Weg dahin geht. Aber dennoch finden wir nicht den Weg. Wir sind ganz tief im Inneren traurig und verzweifelt, nicht unser Glück zu finden. „Die Alten“ würden sagen, hört auf mit dem Stuss und seit mehr dankbar für das Luxusleben, was wir für euch mit erschaffen haben. Dieses neue tolle Leben, was uns den ganzen Tag ganz komfortabel Arbeiten von Zuhause ermöglicht. Bloß keine „neumodischen“ Kopfkrankheiten wie Burn-out bekommen. Darauf sollen wir achten.
Kopfzirkus in Endlosschleife
Oft fängt es genau hier an. Im Kopf bei uns und unserer Einstellung zum Leben. Besser zum Sinn des Lebens. Fast ausschließlich im Kopf zu sein, ist für viele ein normaler Zustand. Ich nenne es Kopfzirkus mit den perfekten Artisten in Endlosschleife. Dahinter verbergen sich bewusst oder auch unbewusst Fragen wie: „Was denken andere von mir? Wie bin ich besser als andere? Kann ich die Wahrheit sprechen und (auf Bildern) zeigen, und werde ich dann noch gemocht? Das macht viele junge Menschen müde und krank. Einige sind schon in ihren jungen Jahren von Depressionen geprägt, die laut Krankheitsbild von Interessenlosigkeit, einem Defizit an Genussfähigkeit, einem geringen Selbstwertgefühl oder Konzentrationsschwäche gekennzeichnet sind. Oft fehlt hier Bewusstheit. Denn der Hintergrund, warum bestimmte Situationen und Themen uns so traurig stimmen und uns manchmal sogar die Motivation fürs Leben und zur Entfaltung nehmen, sind nicht sichtbar.
Die Jungen schlagen sich also vordergründig mit Problemen im Inneren herum. Innere Konflikte hatten und haben auch unsere Eltern und Großeltern. Oberste Priorität war jedoch der Überlebensinstinkt, das heißt, zunächst die Sicherheit im Außen zu erschaffen. Ja, hier findet eine Wiederholung der Thematik statt, weil es wichtig erscheint, ein gegenseitiges Verständnis der Generationen zu schaffen. Heute im Jahr 2021 geht es uns, hier in Deutschland, weitestgehend also ALLEN im Außen gut. Wir haben nun Zeit uns nach innen zu wenden. Besser gesagt, wir haben das Glück, uns die Zeit dafür nehmen zu können.
Doch wie lässt sich das realisieren?
Indem wir uns zunächst erneut bewusst machen, dass wir ALLE mindestens 80 Prozent unseres Tages unbewusst handeln und weniger als 20 Prozent bewusst irgendwelche Dinge tun. Diese Dynamik lässt sich gut mit dem bekannten Eisbergmodell veranschaulichen. Der kleine Teil und damit die Spitze des Berges, verdeutlicht die bewussten Sachen, also jene, die sich an unserer Oberfläche befinden. Es sind all jene Dinge, die wir bewusst erschließen können. Der Großteil unserer Gefühle, Ängste, Wünsche und Glaubenssätze, welche nicht unmittelbar erfasst werden können, befindet sich jedoch unter der „Wasseroberfläche“: Im scheinbar Unbekannten – dem Unbewusstsein. Es wirkt sich täglich in unseren, in deinem, in jedem Leben des Menschen aus.
Um die innere Gefühlswelt zu verbessern, wäre eine Möglichkeit Themen von „Unten“ an die Oberfläche zu holen, damit neue Handlungs- und Denkmuster geschaffen werden können. Das ist jedoch nicht so einfach, denn die unterbewussten Vorgänge lassen sich eben nicht bewusst wahrnehmen. Aus diesem Grund kann unser Verstand bestimmte Programme und Blockaden nicht sehen und verstehen. Schade eigentlich. Sonst wüssten wir schnell, was dahinter steckt, wenn wir beispielsweise abends zum Nutella Glas greifen oder uns beleidigt fühlen, wenn der Chef oder ein Kollege seine schlechte Laune an uns auslässt. Die Welt ist im Wandel und auch hier hat sie etwas „Neues“ parat. Mittels „Ganzheitlichen Coachings“ lassen sich Muster aufdecken und die verborgene Schicht unter dem Eisberg ins Bewusstsein holen. Somit kann die eigentliche Konfliktsituation im Inneren einem klar verdeutlicht und neu betrachtet werden. Coaching geht davon aus, dass jeder Mensch die Antworten auf seine Fragen und die Lösungen in sich trägt und dass der ganzheitliche Coach ihn durch gezieltes Fragen dabei unterstützt, Zugang dazu zu finden. Es ist eine Art Hilfe zur Selbsthilfe.
In vielen Fällen führt das wiederum zu Gesundheit im Außen. Und damit verbinden sich die Weltbilder der Generationen. Wir brauchen Gesundheit im Innen und im Außen, um ein leichtes und zufriedenes Leben zu führen. Vielleicht ist es genau, dass was es heißt, die „richtigen Geister zu verehren“ und so nach einem glücklichen Leben zu streben.
[1] Realtalks – werden im Internet, im Besonderen im Bereich Social Media, Gespräche genannt, in denen man offenkundig die Wahrheit spricht und widerspiegelt
[2] Mindsetter werden Menschen genannt, die ihre Denkweisen, Überzeugungen und Verhaltensmuster nach Außen zu einem Publikum kund tun